Kirchen, Speis und Trank
Nach einer sehr ausgiebigen Nacht- und Vormittagsruhe wälzte ich mich zum Hotelzimmer hinaus. Am Ausgang fing mich die Rezeptionistin ab. Nachdem sie eine zeitlang auf mich eingeredet hatte, wurde mir klar, dass sie mich wegen dem Wasserschaden gestern ansprach.
Zusammen mit dem Hausmechaniker betraten wir das Badezimmer. Das Ventil hatte sich beruhigt und alles war in Ordnung. Doch ich konnte das den beiden nicht erklären. Sie meinten, das Wasser sei aus der Decke getropft, wohl einen Wasserrohrbruch vermutend. Ich mochte nicht diskutieren und liess mir ein anderes Zimmer geben.
Ich ging mal wieder ein Kloster besuchen.
Auch hier war das Ganze nicht von schlechten Eltern, doch ein bisschen hatte ich mich schon an solche Orte gewöhnt. Dazu kam die lange Nacht von gestern. Es war kein leichter Tag.
Ein halber Liter Kwas tat mir gut. Rasten auf einer Parkbank auch.
Irgendwie brachte ich den Tag hinter mich. Gegen Abend ging es wieder besser und ich besuchte das beste Restaurant auf Platz. Der Eingang jedenfalls war schon mal vielversprechend.
Das Interieur hielt, was die Fassade versprach. Ausser mir waren nur zwei weitere Tische besetzt.
In einer Ecke des Raums spielte ein Partymusiker in Discobeleuchtung auf einem Keyboard zu laute russische Klassiker. Eventuell ein ganz klein wenig unpassend. Zum Glück war seine Schicht schon bald beendet und er sorgte an der Bar für gute Stimmung.
Sowohl die Bedienung als auch das Essen konnten die Erwartungen erfüllen. Russische Kellner sind durchaus freundlich, doch Beratung oder sogar Vorschläge sind nicht unbedingt ihre Stärke. Hier war es anders und der Ober führte mich in die Welt der Tinkturen ein.
Das sind in Wodka eingelegte Früchte oder Beeren, ähnlich wie Limoncello. Nach einem sehr fruchtigen ersten Gang folgte als zweites eine “Chren”-Tinktur. Österreicher können erraten, dass es sich dabei um Meerrettich handelt. Speziell. Zum Abschluss gabs wieder eine süsse Variante.
Mit vollem Bauch und wieder guter Dinge besuchte ich die andere der beiden Bars der Stadt. Hier gab es eine noch grössere Bierauswahl und die Einrichtung war ein bisschen edler als bei der Konkurrenz. Der Barkeeper und Eigentümer hatte das Lokal erst kurz zuvor eröffnet.
Er sprach sehr gut italienisch. Ich habe nicht begriffen warum, doch die Verständigung war so deutlich einfacher. Neben den Einheimischen befanden sich auch zwei Amerikaner hier und sprachen dem Gerstensaft kräftig zu. Die Rechnung jedenfalls war für russische Verhältnisse verdammt hoch.
Nach der Erfahrung von gestern wollte ich es diesmal nicht so weit kommen lassen. Doch als ich das letzte kleine Spezialbier genoss, traten zwei Italiener zur Tür herein. Sie waren Maschinen-Ingenieure, die irgendwo in der Nähe auf einer Baustelle arbeiteten. Für die nächsten paar Monate. Ich glaube, sie waren nicht vollständig glücklich darüber.
Man unterhielt sich. Man trank noch ein Bier. Je später der Abend, desto lockerer die Stimmung. Irgendwann war wieder Sperrstunde, die keinen interessierte. Es ging als Privatparty weiter. Ich sprach mit einem Russen, der die Hälfte des Jahres hier wohnte und die andere Hälfte in Amerika. Er arbeitete in der Raumfahrttechnik. Er konnte Rocket Science, sozusagen.
Dann tauchten auch die beiden bierseeligen Amerikaner wieder auf. Sie waren Karaoke singen und hatten wieder Durst. Es war schon lange wieder hell, aber niemand machte Anstalten, nach Hause zu gehen. Trunkenen Herzens musste mich losreissen, denn am Nachmittag musste ich das Auto in Moskau zurückgeben.