Auf dem russischen Ballenberg
Suzdal ist ein russischer Ferienort. Vielleicht war darum das Restaurant gestern so gut? Jedenfalls gibt es ein paar nette Dinge zu sehen und es war Wochenende, daher hatte es Leute überall. Dazu Beeren-, Kwas- und Limonaden-, farbige Tücher-, Andenken- und andere Verkäufer und eine ansehnliche Anzahl von Pferdekutschen. Gut für einen Sonntagsspaziergang.
Hinter dem Zentrum und dem Kreml führte der Weg über den Fluss zu einem Freilichtmuseum. Hier standen alte russische Holzhäuser. In jedem Haus sass eine traditionell gekleidete Dame, die einem über die Lebensweise früher in diesen Häusern Geschichten erzählte. Wenn man russisch konnte, verstand man sie sogar.
Wieder zurück gönnte ich mir eine hausgemachte Limonade und hörte dem Glockenspieler zu, der sich im Kirchturm die Ehre gab.
Gestärkt besichtigte ich den Kreml. Doch da Sonntag war, kaufte ich nur ein Billet für das “architektonische Ensemble”, aber ohne Museen. Es standen Liegestühle im Feld herum. Diese benutzte ich und liess mir die Sonne auf den Bauch scheinen.
Auf der anderen Seite des Dorfes stehen zwei grosse Kloster. Da noch nicht so spät war, lief ich mal in diese Richtung. Unterwegs waren die Ausblicke nicht immer schlecht.
Der Strecke bis zu den grossen Klostern war länger als gedacht, also kehrte ich um. Und fand dabei ein kleines Kloster. Es war alles ein bisschen verfallen und nicht so glänzend wie im Rest des Dorfes. Schon fast beim Ausgang sprach mich eine Frau an, sie verkaufe Eintritte zum Glockenturm, das sei ein unvergessliches Erlebnis.
Als alter Türmebesteiger überlegte ich nicht lang und kaufte einen Eintritt. Auf dem Weg nach oben ist so etwas wie ein Glocken- und Uhren- Museum eingerichtet. Wobei, es ist wohl eher das Werk eines Sammlers, der seine alten Glocken(Teile) und Uhrwerke dort aufbewahrt.
Die Aussicht war dann jedenfalls tatsächlich nicht übel. Ich befürchtete schon, die grosse Glocke würde mir einen Ohrenschaden verpassen, da gleich fünf Uhr war, doch sie war abgeschaltet. Ich machte ein paar Fotos, bis der Akku leer war. Dann stieg ich wieder hinab.
Unten war die Tür verschlossen. Ich war eingesperrt. Ich dachte an die Worte der Frau, von wegen “unvergessliches Erlebnis”. Ich fing an, an der Türe zu rütteln und zu rufen. Nichts passierte.
Also wiederholte ich das ein paar Mal bis Stimmen näher kamen. Die fragten etwas auf russisch und entfernten sich wieder. Ich wartete. Da sie nicht wiederkamen, rüttelte ich wieder. Nach ein paar Minuten waren wieder Stimmen zu hören, die diesmal ein bisschen englisch verstanden. Sie entfernten sich wieder und ich wartete wieder.
Es dauerte relativ lange, bis sie wiederkamen, dafür brachten sie den Turmwärter mit, der mich befreite. Es war irgendwie niemandem so richtig klar, wie ich eigentlich in diesen Turm kam und warum ich dann eingesperrt wurde. Aber offenbar schien das auch weder den Wärter noch meine zwei Retterinnen besonders zu interessieren. Ich bedankte mich jedenfalls gross und machte mich aus dem Staub.
Abendessen gab es in einem Café mit russischer Dekoration und Küche. Es schmeckte und die Zeit reichte diesmal auch für ein Dessert.
Auf dem Verdauungsspaziergang bewunderte ich die Weihnachtsbeleuchtung und ging dann früh schlafen.