Vom Bunker in den Park
Nach einem Besuch im Museum sowjetischer Computerspiele, einer verregneten Stadtführung und einem Borscht mit Wodka in einem sowjetisch-nostalgischen Restaurant gestern wollte ich heute einen sowjetischen Atombunker besuchen. Der Herr Stalin und seine Sowjets haben doch ziemliche Spuren hier hinterlassen.
Also, zum Bunker. Offenbar hat dieses Museum eine exzellente Marketingabteilung, denn neben mir wollten auch noch ca. 50 andere Touristen eingelocht werden. Mit entsprechender Verspätung brachen wir auf und nahmen die 18 Stockwerke nach unten unter die Füsse.
Der Bunker wurde in unmittelbarer Nähe einer Metrolinie gebaut und den Arbeitern wurde erzählt, sie würden für die Metro arbeiten. So wurde das Ganze geheim gehalten. Die Metro wurde auch von der Besatzung des rund um die Uhr in Betrieb gehaltenen Bauwerks als unauffälliger Ein- und Ausgang benutzt.
Neben Stalins Büro und der ersten Atombombe besuchte man auch den Kommandoraum. Hier durften zwei Besucher War Games spielen und sehen wie bei einem Atombombenangriff der Amerikaner der Gegenschlag ausgelöst worden wäre. Der Sicherheitscode war angeblich besser als derjenige der Gegenseite.
Nach einem kleinen Fake-Bombenalarm war die Führung zu Ende und man durfte wählen, ob man wieder nach oben wollte oder im Bunkerrestaurant etwas essen. Wie gesagt: Gutes Marketing. Aber dadurch leider zu viele Besucher.
Wieder an der frischen Luft gab es Kirchen zu sehen und ein grosses Gebäude am Ende der Strasse. Dort ging ich hin. Es war eine andere der sieben Schwestern.
Von dort aus sah ich weiter oben am Fluss etwas Eigenartiges mit vielen Menschen. Dort ging ich hin.
Es war eine Brücke halb über den Fluss und wieder zurück. Rundherum befand sich ein Park.
Der Park war nach verschiedenen Vegetationszonen gestaltet und bot ein Amphitheater und eine grosse Tribüne mit Sonnenuntergangssicht. Ich wandelte lust darin herum.
Nachdem die Sonne untergegangen war wurde es Zeit für das Abendessen. Diesmal ein einem absolut unsowjetischen “Inglisch Pab” wie der Russe sagt. Es war eng und ich musste mir einen Platz suchen. Mein Nachbar war ein Serbe und als er hörte, dass ich Schweizer war, konnte er nicht mehr aufhören vom Doppeladler zu schwafeln. Ich setzte mich an die Bar.
Ich hatte schwarze Hosen und einen gelben Pullover an. Der Barkeeper meinte “Young Boys?” Ich nickte und war erstaunt. Ich entdeckte unter vielen Aufklebern hinter der Bar einen Berner Bär und zeigte ihn ihm. Guter Einstieg.
Nach ein paar Minuten ging mein linker Nachbar weg, meinte aber, er käme gleich wieder. Das tat er auch und brachte zwei alte Pannini Alben von 1986 und 1990 mit. Ich begriff nicht ganz, ob für mich, für sich oder warum sonst. Jedenfalls blätterte ich darin herum, hatte Freude an den Frisuren und wenn ich ab und zu mal jemanden kannte. Ihm ging es gleich. Nachdem wir alles durch hatten, ging er wieder.
Gegen Mitternacht kamen zwei neue Nachbarn, bestellten einen Whiskey und fingen an, darüber zu fachsimpeln. Der Barkeeper fragte mich, ob ich auch einen wolle. Ich sagte ja und liess mich beraten.
Man kam ins Gespräch und als die Bar nicht viel später schloss, luden mich die beiden zu einem Kaffee bei sich im Büro ein. Das Büro war nicht weit entfernt und es stellte sich heraus, dass sie Tontechniker waren und für den “russischen Frank Sinatra” Ренат Ибрагимов (Renat Ibragimov) arbeiteten.
Natürlich durfte ich mir ein paar Lieder anhören und bekam eine Hand voll CDs geschenkt. Nach dem Kaffee mit Kondensmilch bot mir einer der Herren aus einem Plastikkanister “Spirt” oder so was an. Angeblich 90%-iger Wodka. Sein Kollege meinte schockiert, das solle ich auf keinen Fall trinken. Worauf ich meinte “Aha, das ist zum putzen.” Sie nickten. Da holte der andere eine leere PET-Flasche, um mir etwas davon mit nach Hause zu geben. Wieder ein schockierter Blick. Da ich tatsächlich nur mit Handgepäck reiste, konnte ich das Angebot wirklich nicht annehmen.
Da fragten mich die Herren, ob wir noch ein Bier trinken gehen wollten. Sie führten mich in eine Sushi-Bar (wie schon in Kaliningrad, Zufall?) und zum Bier gesellte sich ein Whiskey.
Als spezielles Angebot konnte man hier Ballons gefüllt mit Lachgas bestellen. Ein Gast am Nachbartisch tat das. Einen nach dem anderen. Die ganze Zeit. Immerhin sah er entspannt aus.
Nur trinken ist langweilig und die Sushi-Bar konnte auch Fleisch, so nahmen wir ein zweites Abendessen. Gegen 4 Uhr verliessen wir die Bar (natürlich wurde ich eingeladen und hatte keine Chance, etwas zu zahlen). Ob ich noch einen Kaffe wolle oder sonst etwas. Doch ich hatte für den folgenden Tag schon etwas vor und musste ablehen. Schon wieder war es ungewohnterweise ich, der zuerst schlafen ging. Diese cheiben Russen!