Wer braucht schon ein Navi
Um den Abenteuerfaktor zu steigern, mietete ich ein Auto, um den Goldenen Ring, eine Reihe von sehenswerten, alten Städten rund um Moskau, anschauen zu gehen. Nach kurzer Einweisung durch die Vermietung (mach Licht, schnall dich an, fahr so schnell wie ausgeschildert, halt dich an die Verkehrsregeln) gings los.
Dummerweise hatte Murphy zugeschlagen und die SIM-Karte meines Handys gab den Geist auf. Und mit ihr auch die GPS Funktion. Da stand ich jetzt mitten in Moskau, zwar mit einer Karte, aber ohne Wegbeschreibung oder Angabe, wo ich mich genau befand. Ich fuhr los. Die Strassenschilder halfen auch nicht extrem weiter, da meistens die Namen der nächsten Querstrassen angegeben sind, oder irgendwelche Hotels, Museen oder Läden. Nicht aber so etwas Nützliches wie “Autobahn”. Vielleicht auch deshalb, weil es Autobahnen in Russland eigentlich gar nicht gibt.
Also fuhr ich nach Gefühl. Die Strasse wurde breiter, so fünfspurig. Ein gutes Zeichen. Ich hielt an, um meinen Standort nach alter Väter Sitte auf der Karte zu bestimmen. Bingo! Ich war exakt auf der richtigen Strasse! Ein Hoch auf die Intuition!
Doch die Freude währte nur kurz denn der Verkehr wurde dichter und für die nächsten drei Stunden stand ich im Stau. Ich hörte mich durch das Radio-Angebot. Entweder Diskussionen oder Popmusik-Scheisse, wobei häufig bekannte Lieder auf russisch gecovert werden. Tja. Als sich der Stau dann endlich auflöste, konnte ich das russische Autofahren geniessen.
Es ist nicht extrem wild (offenbar hat sich in den letzten paar Jahren in dieser Hinsicht einiges verbessert), doch überholt wird gerne immer und überall. Es ist schon ein interessantes Gefühl, innerorts von einem Lastwagen rechts überholt zu werden.
Das mit der Geschwindigkeit war auch so eine Sache: Ich hätte mich gerne an das ausgeschilderte Limit gehalten, doch ich sah so gut wie keine Schilder. Also schwamm ich mit dem Fluss. Busse bekam ich jedenfalls nie eine.
Nach dem Tanken (mit Tankwart! und mit zuerst an der Kasse bezahlen) wurde es schon langsam dunkel, doch es war nicht mehr weit. Dummerweise nahm ich eine Ausfahrt zu früh. Ich versuchte zu wenden. Doch es war mittlerweile stockdunkel und es hatte dichten Lastwagenverkehr. Ich gab das Wenden auf und fuhr einfach mal weiter in die Nacht, ohne eine Ahnung zu haben, wo ich war.
Plötzlich tauchte ein Wegweiser nach Wladimir auf. Dort wollte ich hin. Glück gehabt. Auf einer Nebenstrasse erreichte ich die Stadt. Keine Strassenlampen, ziemlich heruntergekommene Häuser/Industrie, enge, löchrige Strasse mit vielen Kurven, unüberwachte Bahnübergänge. Was für ein Kaff war das denn?
Doch es wurde besser, heller, breiter, schöner. In einem Kreisel um ein historisches Tor herum baute ich beinahe einen Unfall (offenbar haben manchmal die Fahrzeuge ausserhalb des Kreisels Vortritt…) und fand mein Hotel im zweiten Anlauf. Puh, fast sechs Stunden Fahrt und ein paar Nerven für knapp 200 km. Doch das Schlimmste war schon hinter mir, man gewöhnt sich schnell daran und die nächsten Fahrten waren bedeutend entspannender.
Freudig checkte ich im Hotel ein. In Russland bezahlt man Hotels im Voraus. Da ich jedoch heute schon die Automiete zahlte, war ich am Tageslimit der Karte angelangt und konnte nicht den ganzen Betrag zahlen. Nach ein bisschen diskutieren liess mich die Dame dann aber widerwillig für die Anzahlung der Hälfte doch noch hinein.
Puh. Mit buchstäblich 2 Franken 50 in der Tasche sah ich mich kurz in der Stadt um. Sie wirkte gar nicht mehr so unfreundlich wie auf den ersten Blick gedacht. Da mit Essen nichts war, ging ich früh schlafen.
Was für ein Tag.