Man hört so allerlei Übles über Russland. Grund genug, sich das einmal selber anschauen zu gehen. Zufälligerweise läuft auch gerade die Fussball-WM. Grund genug, sich auch das einmal anschauen zu gehen.

Also mal wieder früh am Morgen aufstehen, zum Flughafen fahren und nach Moskau fliegen. Der erste Eindruck im Zug vom Flughafen in die Stadt: Die haben sehr grosse Häuser hier. Dies würde sich bei näherer Betrachtung als durchaus richtig herausstellen.

Erster Eindruck vom Moskau

Zweiter Eindruck von Moskau

Die meine Planung etwas spontan war, musste ich sogleich zum anderen Flughafen der Stadt, für den Weiterflug ins weltbekannte Rostow am Don. Das ist immerhin eine Millionenstadt im sonnigen Süden Russlands.

Ich merke schnell, dass ich nicht der einzige Matchbesucher bin, denn drei Viertel der Passagiere sind gelb bekleidet und sprechen ein seltsames portugiesisch. Ausser die zwei Peruaner, die neben mir sitzen.

In Rostow angekommen, warten auch schon die Shuttle-Busse um uns ins Stadion zu bringen. Irgendwo hält der Bus an und man spaziert über eine frisch gebaute Autobahn der Sonne entgegen dem Stadion zu.

Abendspeziergang

Überall stehen freundliche Freiwillige die einem den Weg weisen. Der Himmel wird dramatischer und das Stadion kommt näher.

Dramatischer Himmel

Nur noch ein bisschen Schlange stehen vor dem Sicherheitscheck. Den nicht unfreundlichen Beamten mit “Priwjet” ein Lächeln entlocken und dann ist es soweit.

Ein Stadion in Russland

Nicht ganz so kurz den Sitzplatz suchen und noch etwas zu trinken kaufen (Mein Russisch hat funktioniert!!). Und schon geht’s los!

Der Beginn eines Fussballspiels

Neben mir sitzt ein älterer Russe, der ein paar Brocken deutsch kann (z.B. “Setzen Sie sich!!”). Zusammen mit meinen zehn russischen Wörtern reicht das um das Spiel zu kommentieren. Um uns herum sitzen in der Mehrzahl Schweizer, aber auch Russen und Brasilianer.

In der Pause fragt mich ein Schweizer, ob ich Russe sei (obwohl ich doch ein rotes Duff-T-Shirt trage), weil ich mich so gut mit meinem neuen Kollegen unterhalte. Ich grinse und sage “nä-ä”.

Die Schweiz gewinnt das Spiel 1 zu 1 und alle sind glücklich.

Glückliche Matchbesucher

In einem fröhlichen Umzug spaziert man über eine andere Autobahn in der lauen Sommernacht Richtung Stadtzentrum. So langsam mache ich mich auf den Weg zu meinem Hotel, da ich vermute, dass es keine 24-Stunden-Rezeption gibt und man dort schlafen gehen möchte.

Auf dem Weg sehe ich einen offenen Quartierladen und kann nicht widerstehen, dort ein letztes Bier zu kaufen. Im Laden kommt man mit einem Russen ins “Gespräch” und trinkt das Bier dann draussen mit ihm, seiner Frau und seinen Freunden zusammen.

Bei der Konversation hilft Google Translate, wobei der Russe meistens minutenlang auf das Gerät einspricht und ich dann eher im Stil “ja / nein / vielleicht” antworte. Doch man hat Spass, kauft noch ein Bier, probiert auch vom (russischen?) Wein, der extrem süss ist und nach Kopfweh schmeckt, feiert kurz mit vorbei gehenden Schweizern und Brasilianern, kauft noch ein Bier, geht in einen nahegelegenen Park, trifft dort Jugendliche, die auch Freude am Bier trinkenden Schweizer haben, macht Bekanntschaft mit der russischen Polizei, die ermahnt, dass Alkohol trinken in der Öffentlichkeit eigentlich nicht gestattet ist, und mein schlechtes Gewissen gegenüber dem Hotel wächst.

Also ruft der Russe mal im Hotel an, um sich nach der Lage zu erkundigen. Doch niemand meldet sich und die Adresse sei auch irgendwie komisch. Der Russe meint, das Hotel sei Fake und ich solle doch bei ihm und seiner Frau übernachten. Nach kurzem Zögern willige ich ein und wir nehmen ein Taxi zu ihrer Wohnung.

Diese liegt nicht ganz im Zentrum in einem Wohnblock klassisch sowjetisch/russicher Art: gross und nicht unbedingt einladend. Aber das Treppenhaus überbietet diesen Eindruck locker: nicht gross und ziemlich abstossend. Es sieht aus wie ein Rohbau, der dann 50 Jahre sich selber überlassen wurde. Kurz, wie eine Ruine. Wie dem auch sei, für einen Rückzieher ist es jetzt zu spät.

Man betritt die Wohnung und ist angenehm von der Heimeligkeit derselben überrascht. Sehr sauber, viel Holz, nette Einrichtung. Der Hausherr bietet Vodka an und erklärt, wie man ihn trinken sollte: Nicht atmen und das warme Gefühl geniessen, das im Magen entsteht. Dazu gibt es Fruchtsaft zum runterspülen.

Die Nacht wird lang, der Morgen kurz aber heftig.

Klassische Architektur

Der nächste Tag ist hart. Ich kümmere mich um meinen Kater, um die verlorene Kreditkarte, verletze mich an einer ungehobelten Parkbank, suche ein Taxi ins Zentrum und ein Hotelzimmer. So bekomme ich leider nicht viel vom prächtigen Wetter mit und verpasse die schönen Ecken der Stadt.

Die einzige Sehenswürdigkeit (die ich sah)

Ich finde ein Bett im Reserveraum (d.h. der Sauna) eines Hotels und verbringe dort den Rest des Tages und der Nacht schlafend. Denn morgen gehts schon weiter nach Kaliningrad.

Aber was für ein Start, Russland kann ja heiter werden!