Voller Tatendrang lief ich heute in den Nieselregen hinaus. Da kam die Hofburg gerade recht.

Hofburg, d.h. ein Teil davon

Habe das Porzellan-Museum gesehen. Die Könige und Kaiser hatten relativ bombastische Tafeln. Dann ein Rundgang durch das Schloss mit den Gemächern von Franz-Josef und Sissi. Franz-Josef ein Workaholic und Sissi mit Turngeräten in der Stube. Und zum Schluss noch das Sissi-Museum. Sie war gar nicht so wie in den Filmen. Macht nichts, denn ich habe die Filme nie gesehen.

Dann ein Abstecher zum neuen Hauptbahnhof.

Informative U-Bahn Station

Dort steht ein hoher Holzturm mit guter Aussicht. Leider war es nass, trüb und schon fast dunkel. Aber der Turm war sowieso geschlossen.

Da bin ich halt eine grosszügige, interessant aussehende Strasse hinunter gelaufen. Schon nach ein paar hundert Metern stand da ein grosses hässliches Gebäude, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Eine grosse Reklame versprach da “zehntausende Filme” in “grosszügigen Kabinen” schon “um 7.50 öS”. Einen neuen Zentralbahnhof bauen und in der Nähe das leerstehende Pornokino aus den 80er stehen lassen, Wien wurde mir grad nochmal sympathischer.

Genug Sightseeing für heute, höchste Zeit mal ein Kaffeehaus von innen anzuschauen. Gut angezogenes Bedienpersonal, unterschiedlichste Gäste und von Kaffee & Kuchen über Cüpli und Bier & Würstl zu kompletten Menüs ist alles vorhanden.

Mein erster Kaffeehaus-Besuch. Nicht der letzte.

Sehr schön. Und weils so schön war, bin ich ein bisschen verhangen und es war schon fast spät zum Abendessen.

Also bin ich durch die Strassen gelaufen, um etwas zu finden. Irgendwo gab’s eine ziemliche Menschentraube. Kaum stehen geblieben, sprach mich jemand an, ich solle da hinein gehen, es sei Donnerstag. Innen ging’s die Treppe hinunter in ein grosses altes Gewölbe. Da bin ich geblieben. Ich war schon wieder in einem bekannten Lokal gelandet und das Gebäude gibts offenbar schon seit 1339. Ausser altem Gemäuer gab’s auch gutes Essen (nein, kein Schnitzel diesmal) und live Heurigenmusik.

Nach diesem Erlebnis hatte ich Lust, noch ein Letztes zu nehmen. Um die Ecke lag ein Kaffeehaus. Anderswo würde man zu diesem Lokal Kneipe sagen, aber egal, Hauptsache verraucht und Bier vorhanden.

Nachdem die meisten Leute gegangen waren und fast nur noch Künstler da waren, sprach mich einer an. Ob ich kunstinteressiert sei und zufällig hatte er auch seine Mappe dabei. Ich blätterte ein bisschen durch, aber wie es so ist am späteren Abend. Man wird immer mehr abgelenkt durch Gespräche, andere Gäste, Bier bestellen, Zigis kaufen etc. Ausserdem hatte ein anderer Gast mal ein Bild gekauft und es noch am gleichen Abend wieder verloren.

Irgendwann wollte der Chef zusperren. Aber Künstler wollen nicht so früh heim. Darum noch ein bisschen weiter, in den “Untergrund”. Das ist gar nicht im Untergrund, sondern einfach eine Bar, die lange offen hat. Ein Dead End von Wien sozusagen.

Mit einem anderen Künstler habe ich mich dort über österreichische Kultur, Sprache und sonst wer weiss was unterhalten. Das hat mir sehr getaugt, das war extrem leiwand. Bier haben wir nicht getrunken, sondern natürlich degustativ achtelweise österreichischen Weisswein. Es gab auch GV. Nein, kein horizontales Vergnügen, sondern grüner Veltliner.

Je länger der Abend, desto durchmischter das Publikum. Ein Ingenieur, diverse Künstler, ein schlecht gelaunter Mann, gut gelaunte Jugendliche, ein jüdischer, heftig diskutierender Philosoph, eine ältere Frau, die nächstens erblinden wird… alles bunt durcheinander und jeder trinkt mal was mit jedem. Aber alles geht mal vorbei und auch hier wollte der Wirt mal fertig machen.

Doch was ein richtiger Wiener ist, der weiss sich zu helfen. In der Nähe gibt’s ein Restaurant, das früh öffnet. Also noch schnell dort hin, ein paar Letzte nehmen. Sehr schön war die klassische Jukebox in der Ecke, die österreichische Musik der 80er spielte. Auf der Toilette habe ich den jüdischen Philosophen wieder getroffen. Der hatte immer noch Gesprächsstoff.

Diesmal wollte die Bedienung noch nicht schliessen, aber irgendwann habe ich mich dann doch verabschiedet. Draussen auf der Strasse hatte ich keine Ahnung, wo ich war. Zuerst einmal eine Nudelbox kaufen mit scharf. Höllisch scharf. Und so habe ich dann doch den Weg ins Hotel gefunden. Es war zwölf Uhr.

Das Mittagessen habe ich sein lassen und mich ein bisschen hingelegt. Bin dann gerade noch rechtzeitig wieder aufgewacht für die Dritte-Mann-Tour durch die Kanalisation. Das war durchaus interessant mit Informationen über das Abwassersystem Wiens (im weltweiten Vergleich sehr wenige Ratten) und den Film “Der Dritte Mann” (Die legendäre Zithermusik stammt von einem Heurigenmusiker den die Filmcrew zufällig traf).

Der Dritte Mann wäre am Abend auch noch im Kino gelaufen. Ich habe aber vorgezogen, im Hotelbett statt im Kino zu schlafen. Ein Abend unter Künstlern ist interessant aber anstrengend.